
Als wir auf den Galápagos Inseln in den Flieger steigen, tut der Abschied weh. Aber wir sind auch gespannt, was in Guayaquil auf uns wartet. Kaum angekommen sind wir direkt wieder im City Vibe. Aber es ist eigentlich auch ganz schön, wieder ein paar mehr Menschen und Straßen und Getümmel zu sehen. Wir nehmen uns ein Taxi und fahren erstmal ins Hostel für die nächsten 4 Nächte.


Von außen hui, von innen pfui. Sooo schlimm ist das Hostel zwar nicht, aber es kommt sicher nicht auf unsere Hitlist. Nachdem wir uns damit abgefunden haben, dass alles ein bisschen schmuddelig ist, geht’s auch. Muss ja. Wir fragen außerdem nach wie es ist mit der Sicherheit hier in unserer Gegend – aber so ganz überzeugend finden wir die Antwort nicht. Ben macht das alles gar nichts aus, aber ich ertappe mich dabei wie ich deutlich genauer meine Umgebung beäuge. Wer ist noch auf der Straße und wo, netter Gesichtsausdruck oder smug…
Spoiler: wir gehen eher wenig spazieren, die meisten Strecken legen wir mit dem Uber zurück. Uber auch deshalb, weil vor den gelben Taxen gewarnt wird – kann passieren, dass man sonst in ein nicht-registriertes Taxi steigt und eine ungeplante Tour durch die City macht zu allerlei Bankautomaten 🙂 Nein, danke.
Nachdem unser Hostel also nicht der Knaller ist, machen wir uns kurz nach der Ankunft direkt auf den Weg ins Kino in einer Shopping Mall. Wenn, dann bitte Vollgas wieder vom Insel- ins Großstadtleben übergehen.
Big City Lights
Der Wunsch nach Bewegung heute ist groß, die 2km zur Mall schlappen wir also zu Fuß. Sicherheitshinweise hin oder her. Die Strecke ist so geht so. Aber ehrlicherweise ist es auch schwierig in großen Städten wie Guayaquil (2,6 Mio. Einwohner) beim kurzen Spaziergang einfach so per Zufall über die schönsten Ecken der Stadt zu stolpern.
Immerhin ist die Mall „schön“. Also so schön wie eine Mall eben sein kann. Aber sie ist riesig und modern und voller Shops und Menschen. Nach den letzten 3 Wochen auf kleinen abgelegenen Inseln ist das schonmal wieder was zum Staunen für uns. Wir laufen an Zara, Bershka, Pull&Bear, Wrangler vorbei… man könnte auch meinen, wir sind im Milaneo. Ein bisschen Heimat.
Im Kino ist die Auswahl an Filmen groß, zumindest wenn man spanisch spricht. An so viel Selbstüberschätzung leiden wir aber nicht, wir schauen uns also den einzigen Film an, der auf englisch ausgestrahlt wird: Thor – Love and Thunder. Wer noch nicht drin war, DON’T DO IT. Auch wenn der Film eher mittelmäßiger Klamauk war, es war trotzdem schön ins Kino zu gehen. Allein für’s Feeling. Für den Rückweg schnappen wir uns dann ein Uber.


Walking Tour und Erkunden auf eigene Faust
Tags drauf machen wir eine Stadtführung. Guayaquil ist eine der wenigen Städte, die über keinerlei koloniale Überreste verfügt. Der Großteil ist dabei nicht irgendwelchen Naturkatastrophen zum Opfer gefallen, sondern der Bevölkerung. Sämtliche Überreste der Kolonialzeit wurden hier absichtlich zerstört – als Zeichen der vollständigen Abnabelung der Vergangenheit.





Wir besuchen außerdem noch ein Café Franchise: Sweet & Coffee. (Da waren wir am Tag davor in der Mall auch schon, der Kaffee war wirklich gut). Sweet & Coffee erinnert in seiner gesamten Aufmachung (und Häufigkeit im Stadtbild) ziemlich an Starbucks. Eventuell haben sie sich davon auch ein wenig inspirieren lassen. Aber: Sweet & Coffee arbeitet (fast) nur mit lokalen Produkten. Und ausschließlich mit ecuadorianischem Kaffee. Was kaum jemand weiß, Sweet & Coffee hat es geschafft Starbucks aus Ecuador zu verbannen (ja, verbannen): Starbucks ist im heutigen Ecuador nicht erlaubt.



Warum wir eigentlich in das Café sind: die Mini-Ausstellung zur Geschichte des Kaffees und seiner Zubereitung. Auf die Hand gibt’s aber noch einen Espresso für uns alle. Was ich zu diesem Zeitpunkt (~18 Uhr) noch nicht weiß: Der Espresso hier hat es mächtig in sich. Das hat nichts mit dem Espresso zuhause zu tun. Ich glaube ich war noch nie SO lange und SO dermaßen wach von den braunen Zauberbohnen. Ich liege in derselben Nacht auch um 0.30 Uhr noch hellwach im Bett.
Was mir schlussendlich beim Einschlafen hilft ist eine etwas tröge Einleitung in einem ansonsten unfassbar guten Buch (wen es interessiert: „Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit“ in Anlehnung an Yuval Harari’s „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ ist ein phänomenal interessantes Buch. Wer es noch nicht gelesen hat, DO IT).
Zurück zur Berichterstattung der City-Tour: Wir steigen nach dem Kaffee-Museum zu einem kleinen Leuchtturm in der Stadt auf. Hübsch… allerdings rein touristisch, den Turm gibt es erst seit ein paar Jahren auf dem Hügel auf dem er steht.




Die nächsten Tage sind unspektakulär. Wir machen uns auf eigene Faust noch auf den Weg ins Stadtzentrum, erkunden die Uferpromenade des Guayas. Das ist der Fluss, der der Stadt auch ihren Namen verliehen hat. Hier ist richtig Disko mit Straßenständen, Märkten, Buden mit den rot-süßen Liebesäpfeln. Im Prinzip wie zuhause beim Jahrmarkt. Es gibt auch dieselben 90er Tshirts zu kaufen wie zuhause, z.B. die mit weißen Wolfsgesichtern und indianisch anmutenden Schönheiten, die vom Tshirt aus wissend in die Ferne blicken.







Wir sind einmal in einem riesigen Markt mit Souvenirs. Da Ben’s Rucksack noch nicht geplatzt ist, werden jetzt nochmal erneute Versuche unternommen, das zu erreichen. Er kauft sich eine traditionelle, gestrickte Teufelsmaske und dazu noch einen Poncho aus Alpakawolle. Klar.
Wir machen außerdem noch eine Gondelfahrt über den Guayas in die gegenüberliegende Stadt und zurück.
Danach gehen wir (im Hellen!) über den 1823 gegründeten Friedhof. Im Gegensatz zu den Friedhöfen zuhause wird in vielen südamerikanischen Ländern nach oben gebaut anstatt zu graben. Das Resultat beim Friedhof in Guayaquil: er ist enorm. Viele viele viele riesige Bauten mit Gräbern. Meist sechs Gräber hoch und über 20 Gräber lang… Wer mehr Geld hat(te), besitzt eine Krypta für die Familie. Und obwohl auch davon viele zu finden sind, so sind die Sammelbauten doch deutlich in der Überzahl.
Es ist ein seltsames Gefühl, hier durch die Gänge zu laufen. Es dauert auch nicht allzu lange, bis wir unseren Weg wieder nach draußen bahnen – wir haben selbstverständlich auch nur einen Bruchteil gesehen, des gesamten Friedhof abzulaufen würde vermutlich mehrere Stunden in Anspruch nehmen.






Terremoto (Erdbeben)
Zurück unter den Lebenden und wieder im Hostel, geht’s weiter in einen winzigen Burgerladen. Also eigentlich geht’s in die Garage vom Nachbarhaus unseres Hostels. Die Burger dort sind vegan und sehr lecker. Das einzige was „ein bisschen gestört“ hat, war das Erdbeben zwischendrin.
Ich habe schon ein paar Erdbeben erlebt, aber die waren allesamt aus der Kategorie „Was war das? Hast du das auch gespürt oder hat nur mein Magen gegrummelt?“.
Das Erdbeben diesmal war aus der Kategorie „Warum wackelt das Regal so doll und wieso macht das Haus so seltsame Geräusche?“.
Als die Erkenntnis einsetzt, springen wir vom Tisch und begeben uns mitsamt dem Koch und seiner Familie nach draußen, Hauptsache raus aus dem Gebäude. Und wieder mal ein Häkchen auf der Erlebnis-Liste. (Wen es interessiert: Hier kann man sich 3 Minuten lang Videos von Überwachungskameras ansehen, die das Spektakel aufgezeichnet haben.)


Im Grunde genommen war das auch das Wesentliche aus Guayaquil. Ich bin kein Fan der ecuadorianischen Großstädte geworden, aber vielleicht habe ich ihnen auch einfach nicht genug Zeit gegeben ihre wahre Schönheit zu präsentieren. Dafür waren die Galápagos Inseln umso bezaubernder.


Mit diesem Fazit buchen wir einen Bus nach Peru. Der fährt zweimal die Woche von Guayaquil nach Lima. Das nächste Mal in drei Tagen, den nehmen wir. Sonntags morgens nach knapp einer Woche in der Großstadt setzen wir uns also gut 8 Stunden in den Überlandbus nach Peru.
Ziel: Máncora. Ein verschlafenes Surfernest im Norden Perus und einer der wenigen Flecken in der Nähe mit Sonne und Strand. I can’t wait!


wieder so schön geschrieben – danke für die tollen Einblicke in eure Reisewelt 🙂