Antigua II

Vokabeln lernen auf der kleinen Terrasse des Hauses.
Antigua vom 16.05. – 29.05.2022

Warum zwei Wochen hier auf dem Blog nichts passiert ist? Weil auch in echt nicht viel passiert ist 🙂 Wie im letzten Post angesprochen, gefiel uns die Sprachschule und der Homestay in der guatemaltekischen Familie so gut, dass wir direkt noch eine zweite Woche drangehängt haben. Und weil auch die zweite Woche so viel Spaß gemacht hat mit unserer Lehrerin und der Gastfamilie, haben wir auch noch eine dritte Woche gebucht. Es war einfach zu schön, um früher zu gehen.

Wie unsere Tage in dieser Zeit ausgesehen haben? 

Montag-Freitag

  • 6.15 Uhr: Aufstehen
  • 7.00 Uhr: Frühstück mit den Gasteltern (nur Kaffee/Tee für uns, da wir nicht frühstücken)
  • 7.40 Uhr: auf zur Schule, der Schulweg dauert knapp 20 Minuten
  • 8.00 Uhr: Unterricht beginnt (wir haben eine Lehrerin für uns beide, also keine Klasse). Vor der Pause werden meistens Hausaufgaben korrigiert, Grammatik wiederholt und neue Grammatik gelernt.
  • 10.00 Uhr: Pause. Erstmal einen zweiten Kaffee holen, kurz durchschnaufen. Der Grammatikpart ist ganz schön anstrengend auf Dauer, vor allem wenn man jeden Tag neue Dinge lernt.
  • 10.30 Uhr: Weiter geht’s. In der zweiten Unterrichtshälfte wird meist kurz wiederholt, was wir vormittags neues gelernt haben und danach wird gespielt: Uno (um Zahlen und Farben zu lernen), Gegensätze (zum Lernen neuer Vokabeln), Memory (wie daheim – Gedächtnistraining, gepaart mit neuen Vokabeln zum Beschreiben der Bilder), Scrabble (um die gelernten Vokabeln abzurufen und eigenständig anzuwenden).
  • 12.00 Uhr: Schluss für den Tag. Allermeistens sind wir auch ganz schön platt nach den 4 Stunden. Gegen 12.20 Uhr sind wir in der Regel wieder zuhause, wenn wir nicht trödeln oder noch etwas erledigen auf dem Weg (z.B. Wäsche wieder im Waschsalon abholen)
  • 13.00 Uhr: Mittagessen mit den Gasteltern und den anderen beiden Studenten (Vater und Tochter aus den USA).
  • 14.00 Uhr: Hausaufgaben
  • 14.30 Uhr: Hirn ausruhen & Siesta, spazieren gehen, Kaffee&Kuchen essen irgendwo in der Stadt oder ins Fitti, um das viele leckere Essen abzutrainieren.
  • 18.30 Uhr: Abendessen mit den Gasteltern
  • 20.00 Uhr: Ende Gelände. Abends haben wir meist noch einen Film nach dem Essen angeschaut und um 22 Uhr sind uns sowieso die Augen zugefallen

Samstag

  • Samstags gabs nochmal Frühstück (aka. Kaffee) für mich zusammen mit Ana Luisa und dazu ein wenig “Girls Talk” (Girls = Ana-Luisa, 62, und ich, 32). Der Rest hat noch geschlafen oder wollte kein Frühstück.
  • Und ja, am Samstag um 6.45 Uhr aufstehen für einen Kaffee um 07.00 Uhr sounds crazy – war aber schön. Und ich habe Gefallen gefunden am Frühaufstehen. Klingt nicht nach mir? Sehe ich genauso, aber manchmal muss man tun, was sich gut anfühlt.
  • Mittagessen war samstags auch noch inklusive, Ben und ich mussten uns also nur samstagabends und sonntags alleine versorgen.

Sonntag

  • Wir hatten den ganzen Tag zur freien Gestaltung. Was macht man nur mit so viel Zeit?
  • Richtig, rumtrödeln, Leben genießen, spazieren, Filme gucken (es ist Regenzeit und ab Mittags regnet es sowieso meistens und dann so richtig)

So in etwa sahen unsere vergangenen drei Wochen aus. Das Schöne am längeren Aufenthalt ist, dass auch Manuel -der Gastvater- langsam aber sicher auftaut und uns ins Herz schließt. Er bleibt nach dem Abendessen allermeistens noch eine Weile mit uns sitzen (die anderen beiden Schüler haben sich schon verkrümelt) und erzählt.

Dabei geht es um alles mögliche und vor allem darum, die jeweils andere Kultur kennenzulernen. Wir sprechen über Themen wie Essen und die zugehörige (Land-)Wirtschaft, über Politik und Kriminalität, Klima, Schulsystem, Festtage (bspw. Muttertag ist ein erwerbsarbeitsfreier Tag für alle Mütter), Religion, Gehälter, Familienzusammenhalt, Heiraten (die Frau hat nach der Heirat 3 Nachnamen, zwei eigene und einen vom Ehemann), Kinderkriegen, Wortspiele und Sprichworte, wie früher alles war und wie es heute ist im Vergleich.

Es ist verrückt, denn nach der Conquista damals haben sich sowohl die christliche Religion als auch die spanische Sprache komplett durchgesetzt. Dabei gab es diese vor der Eroberung durch die Spanier hier gar nicht. Wo also zuvor unterschiedliche Gottheiten in unterschiedlichen Sprachen angebetet wurden, gibt es heute vor allem einen Gott – und eine Sprache für die Gebete. Geschichte ist schon ziemlich spannend – schade, dass ich in der Schule immer so schlecht war.

Die Abende beim Essen und danach sind immer schön, es macht Spaß sich auf spanisch zu unterhalten und vor allem so viele Einblicke von Menschen zu bekommen, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben. Als Tourist bekommt man viel zu oft nur einen Teil des Lebens vor Ort mit, man reist (zumindest geht es Ben und mir so) häufig in einer Blase: Man trifft vor allem andere Touristen und Reisende, tauscht sich mit denen aus, bekommt aber eben meistens auch nur einen oberflächlichen bzw. touristischen Einblick in die jeweilige Umgebung. Die Gelegenheit zu haben, sich ganz unbefangen und sehr ehrlich über ein Land und das Leben vor Ort auszutauschen, ist schon was besonderes.

Die zwei Amerikaner verabschieden sind meist schnell vom Esstisch. In die amerikanische Kultur bekommen wir also weniger Einblicke mangels Gesprächszeit. Was wir aber mitbekommen, ist dass die zwei eher skeptisch mit dem Essen sind. Meine Theorie wäre, dass den beiden das Essen ein bisschen zu gesund ist, unsere Gastmama kocht nämlich vorwiegend mit frischem Gemüse und zum Nachtisch gibt es Obst.
Ana Luisa erzählt mir irgendwann, dass sie natürlich etwas traurig ist, dass die anderen beiden das Essen nicht so mögen. Verstehe ich. Sie erwähnt einmal, dass sie beim Saubermachen der Zimmer jede Menge Süßkram gesehen hat… Manche Klischees sind eben auch ein kleines bisschen wahr.

Die Tochter ist extrem schüchtern und spricht kaum. Und wenn sie spricht, dann nur im Flüsterton und mit “Yes Ma’am” bzw. “Yes Sir”. In einigen Staaten der USA ist das offenbar noch ein Ding. Die Kleine ist ca. 13 Jahre alt und für sie muss ich aussehen wie 100. So fühle ich mich auch jedes Mal, wenn sie mich Ma’am nennt. Dafür fühle ich mich auch jeden Mittag wieder wie 15, wenn ich Hausaufgaben mache. Wenn wir freitags mittags Kuchen essen gehen, komme ich mir vor wie eine sehr zufriedene 65-Jährige. Tags drauf beim Sport komme ich mir schon wieder wie 20 vor. Alter ist eben doch nur ein gefühlte Wahrheit.

Ihr Vater hat dagegen ein lautes Organ und wenn er spricht, dann hört man ihn klar und deutlich (logo, schließlich ist der Mann Pfarrer und muss ganze Kirchen beschallen). Und während man ihn sehr gut versteht, versteht er leider kaum etwas von den spanischen Gesprächen am Tisch. Die ersten beiden Wochen haben Ben und ich deshalb oft die Unterhaltungen auf Englisch übersetzt, in der dritten Woche verzichten wir darauf. Das gemeinsame Ziel für alle Anwesenden ist es immerhin, spanisch zu lernen und dazu gehört eben auch das Hörverständnis.
Wenn wir nicht am Esstisch saßen, haben wir uns auf Englisch mit den beiden unterhalten – das ging dann ganz gut. Wir waren zwar nicht in vielen Bereichen auf derselben Wellenlänge, aber das ist ja auch das Schöne am Reisen: man lernt andere Menschen mit anderen Kulturen und anderen Sichtweisen kennen. Ist schließlich wichtig, um den eigenen Horizont zu erweitern. In diesem Sinne also ein ehrliches und herzliches Danke an alle Beteiligten – wir durften viel neues erfahren, schön war’s!

Der Abschied von unseren Gasteltern fällt uns aber doch ziemlich schwer, die drei Wochen waren wirklich sehr schön und wir haben Ana Luisa und Manuel ziemlich ins Herz geschlossen. Eventuell haben wir bei der Verabschiedung glasige Augen. Aber nur vielleicht. Sie waren eben doch ein bisschen wie Familie.

Das einzige Manko der letzten 14 Tage: 10 Tage davon war Ben ganz schön mitgenommen, sein Magen wollte sich einfach nicht erholen. Da war’s mal einen Tag gut und danach direkt zwei Tage wieder richtig schlimm für ihn. Mit Arztbesuch und Medikamenten sollte jetzt alles wieder ok sein. Er hat sich jedenfalls tapfer durch die 10 Tage gekämpft und hat nebenher noch sein Augmented Reality Fernstudium abgeschlossen. Der Typ ist verdammt krass – und ich bin verdammt stolz!

Heute geht es ihm schon den fünften Tag am Stück gut – wir sind also optimistisch, dass wieder Ruhe im Karton ist.

Jetzt steht uns also noch eine Woche in Antigua bevor, allerdings ohne Schule und ohne Homestay. Wir sind für eine Woche im Hostel und wollen uns dort anderen Themen widmen. Unter anderem wird die Reiseroute vermutlich nochmal überdacht.
Die Regenzeit ist zwar per se nicht schlimm, aber für den Rest unserer Reise wünschen wir uns doch etwas mehr Sonne als Regen. Da die Wetterlage bis nach Panama etwa ähnlich ist, werden wir also eventuell direkt nach Südamerika fliegen.
Eigentlich war mein großer Vorsatz nur den Hin- und Rückflug anzutreten und vor Ort ausschließlich auf dem Landweg zu reisen… aber manchmal kommt es eben anders als geplant. Was tatsächlich in den nächsten Wochen passiert, werden wir in den kommenden Tagen planen. Keep you posted!

Regen hin oder her, die Laune bleibt stabil

3 Antworten auf “Antigua II”

  1. Wieder einmal super interessant und spannend erzählt Laura. Beim Lesen kommt bei mir immer das Gefühl auf, ich bin selbst vor Ort. Ich erlebe gewissermaßen alles live mit, spitze 💪
    Genießt weiter eure Reise und ich genieße weiter deine Erzählungen, fast wie „vor ort“

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