
Noch bevor wir vollständig aus dem Bus gestiegen sind, ist es Liebe. Bunte Häuschen überall, schief und schepps gepflasterte Straßen. Es ist ein wirklich sehr schönes Städtchen. Kein Wunder gehört Antigua zum UNESCO Weltkulturerbe.





Ok, eventuell ist es nicht nur Kulturerbe, weil es hübsch ist. Antigua hat auch jede Menge Geschichte zu bieten von spanischen Kolonialisten bis hin zu einigen Erdbeben, die mehr oder weniger gut überstanden wurden. 1773 wurde die Stadt durch eines der Erdbeben vollständig zerstört. Die Stadt wurde zwar nicht aufgegeben, hat sich aber nur langsam erholt. Aus dem ehemaligen Zentrum für Kultur, Politik und Wirtschaft ist heute eine Region für Kaffeeexport geworden. Soviel zur Geschichte.
Nach 8 Tagen im schwül-heißen Dschungel mit gefühlten 300% Luftfeuchtigkeit (das Klima hat uns schon zu schaffen gemacht) sind wir einfach verdammt froh, uns wieder in für uns normaleren Temperaturen zu bewegen.
Die 1.500 Höhenmeter der Stadt machen sich angenehm bemerkbar, bei trockenen 22°C am späten Nachmittag marschieren wir zu unserer neuen Unterkunft.
Die kleine Stadt im Süden des Landes hat unsere Herzen quasi instant erobert. Noch auf dem Weg zur Unterkunft bleibe ich mehrfach stehen, muss staunen, Fotos von den bunten Häuschen und den prachtvollen Kirchen machen und die Aussicht auf den nahe gelegenen Vulkan wirken lassen. Einfach wow.
Den Samstag Abend und den Sonntag genießen wir ganz frei und ohne Pläne, erkunden die Stadt ein wenig und lassen es uns gut gehen bevor wir am Montag die Antigueña Spanish Academy besuchen, um spanisch zu lernen. „Am Montag geht die Schule los“ – ein ungewohntes Gefühl, aber irgendwie auch ganz witzig.








Montags checken wir also früh aus und marschieren mit unseren Rucksäcken in Richtung Schule. 7.30 Uhr ist Check-In für die neuen Schüler, wir lernen unsere Lehrerin kennen und dann geht es auch schon los zum Schulgelände.



Unsere Lehrerin heißt Sheny, fährt Motorrad, spielt Fußball, unterrichtet seit 16 Jahren spanisch und ist ’ne rundum coole Socke. Schon nach der ersten Unterrichtseinheit am Montag (wir haben jeden Tag 4 Stunden Unterricht von 8-12 Uhr) sind wir uns ziemlich sicher, dass wir mit Sheny gerne eine zweite Woche dranhängen möchten.




Nach dem Unterricht geht es zurück zum Schulbüro in einem anderen Stadtteil, schnappen unsere Rucksäcke und spazieren mit unserer Gastmutter Ana-Luisa zu unsere Zuhause für die Woche. Über die Schule gibt es die Möglichkeit einen Homestay zu buchen, das heißt man wohnt bei einer guatemaltekischen Familie. Das ist ziemlich hilfreich, weil man so auch zuhause mehr oder weniger gezwungen ist spanisch zu sprechen. Das erhöht zum einen den Antrieb, die neue Sprache zu lernen, und zum anderen übt man gezwungenermaßen auch zuhause weiter.
Was wir zu erwarten haben vom Homestay wissen wir nicht. Und wir sind mehr als überrascht, als wir zuhause bei Ana-Luisa ankommen. Das Haus ist riesig, mit einem Innenhof, offenem Flur und ca. 4-5m hohen Decken. Wir hatten mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Außerdem werden wir mit 3 Mahlzeiten jeden Tag versorgt. Ana-Luisa ist unfassbar herzlich und kümmert sich rührend um uns.
BIlder Homestay Zimmer Flur Hund



Sie wohnt mit ihrem Ehemann Manuel (beide um die 65 Jahre alt) im Haus der Schwiegereltern. Ihre Kinder sind schon lange aus dem Haus, dafür ist ihr Hund Sam zum Spielen da. Außer Ben und mir sind noch ein Pfarrer und seine Tochter aus Mississippi anwesend. Die zwei haben zur gleichen Zeit wie wir mit der Schule gestartet, hatten aber weniger Vorbereitungszeit. Ich bin ehrlicherweise ganz dankbar schon Anfang des Jahres angefangen zu haben via App ein wenig Spanisch zu lernen. Ich kann zwar nicht besonders viel sagen, aber ich habe immerhin schon einige Vokabeln drauf – die richtige Grammatik lernen wir jetzt in der Schule. Und die Kombi ist ziemlich gut, ich kenne einige Worte und muss jetzt eben noch lernen wie ich diese zu einem ordentlichen Satz zusammensetze.
Seit 20 Jahren lerne und spreche ich englisch. Ich möchte mich nicht selbst loben, aber mein Englisch ist schon echt gut. Umso mehr frustriert es mich, dass ich mich wie eine maximal Dreijährige ausdrücke im Spanischen. Ich bin es gewohnt mich grammatikalisch korrekt, in vollständigen und sauber strukturierten Sätzen zu artikulieren. Jedenfalls im Englischen ist das so, im Deutschen kommt mir gerne ein wenig eloquentes „Alter“, „geil“ oder „mega“ in die Quere. Aber you get the point, es nervt mich keine richtigen Unterhaltungen führen zu können – man lernt schließlich Land, Leute und Kultur am besten in der jeweiligen Landessprache kennen.
Ben geht es da nicht anders. Umso größer ist unser Wunsch die Sprache endlich richtig zu lernen. Neben unserer Lehrerin Sheny sind unsere Gasteltern Ana-Luisa und Manuel dabei eine große Hilfe. Sie sind geduldig mit uns, sprechen langsam, damit wir folgen können und geben uns Zeit, um im Kopf die richtigen Worte aus dem neuen Vokabular zu finden.
Ana-Luisa spricht (leider) ziemlich gutes Englisch, das heißt wir driften auch gerne mal ins Englische ab, weil es einfacher ist. Manuel ist da strenger, er formuliert langsam -damit wir folgen können-, dass wir zuhause am Tisch spanisch zu sprechen haben. Das meint er dabei nicht böse, sondern weil er weiß, dass wir nicht besser werden ohne Übung. Er ist auch derjenige, der uns immer wieder korrigiert, wenn wir Fehler im Satzbau oder den Worten haben. Danke dafür!
Bei den Mahlzeiten wird also gesprochen, langsam damit wir vier anwesenden Sprachschüler kapieren worum es geht. Rick und seine Tochter verstehen aber noch so wenig, dass doch noch einiges auf Englisch gesprochen wird.
Deshalb gefällt mir das Frühstück am besten. Die anderen beiden sind morgens in Eile und verlassen den Tisch zügig während ich meinen Kaffee zusammen mit Ana-Luisa trinke. Ben und Manuel sind beim Frühstück nicht dabei, es sind also nur die Gastmutter und ich.
Dabei erzählt sie von ihrer Jugend, von Antigua, von ihren Eltern und von ihren Kindern. Ein bisschen Gossip über die Nachbarn ist auch dabei. Es macht Spaß, es ist einfach ein schöner Moment morgens. Außerdem verstehe ich jeden Tag mehr von dem was mir Ana-Luisa langsam auf spanisch erzählt. Ich antworte immer noch wie eine Dreijährige, aber immerhin mein Verständnis wird von Tag zu Tag besser.
Das Sprechen muss ich noch üben und habe -ganz wie früher- jede Menge Vokabelkarten geschrieben. Denn während ich mich manchmal frage warum englisch lernen so einfach war und warum spanisch lernen eigentlich so schwierig ist, vergesse ich gerne, dass ich seit vielen Jahren Englisch spreche/übe/lerne. In der Schule, im Studium, 3 Jahre im Ausland, bei der Arbeit. Ich lese die meisten Bücher auf englisch, um in Übung zu bleiben. Filme und Serien schauen Ben und ich die meistens auch auf Englisch (wir mögen die Orginalversionen lieber und die meisten Serien und Filme sind eben im englischsprachigen Raum produziert).
Also irgendwie auch logisch, dass englisch leichter erscheint. Daher der Weg zurück zu den Wurzeln: Karteikarten. Die englischen irregulären Verben hab‘ ich schließlich auch irgendwann auf Vokabelkarten gelernt. Warum sollte das im Spanischen anders sein? Und, so retro wie das scheint, so hilfreich ist es. Ich erweitere meinen Wortschatz jeden Tag ein klein wenig und bin am Ende der Woche auf dem Stand einer Dreieinhalbjährigen. Yay!
Ben schlägt sich auch verdammt gut. Ich hab zwar mehr Vokabeln geübt, aber die Sätze baut Ben deutlich souveräner als ich. Wir ergänzen uns also ganz gut: ich schmeiße die passenden Vokabeln in den Raum und Ben baut den Satz daraus. Teamwork und so.
Außerdem haben wir unseren Aufenthalt schon dienstags verlängert, wir hängen noch eine zweite Woche mit Sheny und unserer Gastfamilie dran. Eine Woche ist definitiv nicht genug. Zwei natürlich auch nicht, aber immerhin schon besser als eine Woche. Außerdem ist die Stadt so schön, dass wir definitiv mehr Zeit hier verbringen möchten.
Am Ende der ersten Woche hat’s Ben am Magen. Freitags bin ich also alleine mit Sheny und habe Gelegenheit an meiner spanischen Grammatik zu arbeiten. Während mein Verständnis schon ganz solide ist, fällt es mir doch ziemlich schwer halbwegs flüssig halbwegs richtige Sätze zu formulieren. Es ist eher ein Wort – für – Wort – Gestotter , was ich da abliefere. Aber poco a poco, Schritt für Schritt.
Ben geht es zum Glück Samstag Nachmittags schon wieder besser, aber das Wochenende machen wir trotzdem noch entspannt, damit Ben sich richtig erholen kann. Ehrlicherweise ist Schule auch ganz schön anstrengend, das habe ich komplett vergessen. Jeden Tag 4 Stunden lang neues Wissen in den Kopf klopfen hat es ganz schön in sich und auch ich bin froh um die ruhigen Tage.





Antigua. A love story remaining to be continued. ♡