San Ignacio

22.04. – 24.04.2022

Nach dem Inselparadies in Caye Caulker haben wir uns auf den Weg gemacht nach San Ignacio, kurz vor der guatemaltekischen Grenze.

Belize ist im Vergleich zu den anderen Ländern Mittelamerikas sehr klein, und so dauert die Fahrt von Caye Caulker (ganz im Osten) bis nach San Ignacio (ganz im Westen) inkl. Fähre gerade einmal 3,5 Stunden. Und das obwohl wir in einem alten amerikanischen Schulbus reisen.

Auf unserer Fahrt fahren wir vom jamaikanisch anmutenden Inseltraum durch kleine Dörfer und dichten Dschungel. Dabei erklimmen wir rund 85 Höhenmeter: von 3 m über NN auf der Insel auf knapp 90 m über NN (zum Vergleich, Stuttgart liegt bei knapp 250 m). Aber die paar Meter Höhenunterschied sorgen immerhin dafür, dass es abends auf unter 25 ° C abkühlt. Was für eine Wohltat nach 7 Wochen hochsommerlicher Hitze und viiiel schwitzen!

In San Ignacio unternehmen wir nach unserer Ankunft am späten Nachmittag nicht mehr viel. Am nächsten Morgen geht es schon früh los zur ATM Cave (ATM steht übrigens nicht für Geldautomaten, sondern für Actun Tunichil Muknal).

Hostel in San Ignacio

Wir haben Glück, wir sind eigentlich eine Gruppe von 9 Leuten aus unserem Hostel. Das sind aber zu viele Teilnehmer für einen Guide, es wird ein zweiter benötigt. Und anstatt die Gruppe in 4 und 5 Leute aufzuteilen, werden es 7 und 2 Teilnehmer. Macht überhaupt keinen Sinn, wir beschweren uns aber nicht – denn wir sind die Glücklichen, die die Tour zu zweit bekommen.
Unser Guide Ian erklärt uns, dass wir uns am Anfang etwas beeilen werden, damit wir die ersten in der Höhle sind und damit die Höhle für einen kurzen Moment für uns alleine haben bevor die anderen Besucher anstürmen (es kommen schließlich mehr Gruppen als die von unserem Hostel).

Reisegruppe Höhlenabenteuer

Wir schaffen es tatsächlich als erste die Wanderung in Richtung Höhle anzutreten. Nach gerade einmal 150 m geht das Abenteuer schon los – wir waten brusttief durch einen Fluss in dem auch Krokodile wohnen. Die sind anscheinend aber ungefährlich für den Menschen… Da ich von keinen Zwischenfällen gehört habe, möchte ich auch annehmen, dass das wahr ist. Ich beeile mich aber trotzdem den Fluss zackig zu durchqueren.
Der Rest der rund 2 km Fußmarsch sind weniger abenteuerlich – wir wandern durch Trampelpfade im Dschungel und durchqueren den Fluss noch weitere zweimal, aber nur knietief.

Angekommen bei der Höhle geht es zurück ins Wasser: um zum eigentlichen Höhleneingang zu kommen, müssen wir nochmal ein kurzes Stück schwimmen und durch ein kleines Loch klettern. Dann sind wir auch schon „da“.

Mayas in der ATM Höhle

Die ATM Höhle war Stätte von Maya Ritualen zwischen ca. 250-1000 n. Chr. Dort wurden über die Jahre immer wieder Opfergaben wie Gewürze, Schokolade, Getränke gebracht – und Menschenopfer. Die Rituale dauerten im Schnitt 2-3 Tage.

Die ersten Rituale fanden im Eingangsbereich statt, d.h. um 250 n. Chr. Erst nach und nach arbeiteten sich die Maya ca. 500 m weiter in die Höhle vor, dort fanden ca. 1.000 n. Chr. die letzten Zeremonien statt.
Genausoweit werden wir heute auch gehen. In ca. 3 Stunden geht es für uns durch rund 750 Jahre Geschichte.

Eigene Bilder haben wir von diesem sehr speziellen Ort übrigens keine – es sind keine Kameras, Handys, Taschen oder ähnliches in der Höhle erlaubt (vor rund 6 Jahren hat jemand seine Kamera auf einen der Schädel fallen lassen und damit Tausend Jahre Geschichte mit einem Schlag zunichte gemacht). Auf Google sind allerdings ein paar visuelle Eindrück zu finden.

Die Maya glaubten, dass man sich im Delirium befinden musste, um mit dem Übernatürlichen und den Göttern in Kontakt treten zu können. Dafür gab es mehrere Wege, wie beispielsweise Meditation, Fasten, Drogen oder Schmerz.

Bei Schmerz denken jetzt sicher einige an Menschenopfer. Aber: im Gegensatz zu den Hollywood Streifen mit haufenweise blutrünstigen Menschenopferungen gibt es nur sehr wenige Belege für das Opfern anderer Menschen.
Sehr viel verbreiteter war die Selbstopferung, die sich neben dem Tod auch „nur“ auf das Zufügen von Schmerzen beziehen kann.
Im Übrigen war es eine Ehre sich den Göttern zu opfern: man starb für einen höheren Zweck, durchwanderte die Unterwelt Shibalba und wurde schließlich wiedergeboren.

Die Zeremonien dauerten in der Regel 2-3 Tage. Solange hielten sich die Menschen durchgängig in der Höhle auf. Wurden Opfer in Vasen und Töpfen gebracht, so mussten diese im Nachgang zerschlagen werden, um die inherente Energie freizusetzen. Es befindet sich deshalb kein einziger ganzer Krug mehr in der Höhle.

Neuzeitlinge in der Höhle

Anhand der Stalaktiten und Stalakmiten in der Höhle wird geschätzt, dass die Höhle mehrere Millionen Jahre alt ist. Sie wurde aber erst in den 90ern durch Archäologen erforscht und in den 2000ern schließlich geöffnet wurde für den Tourismus.

Es gibt im ganzen Land gerade einmal 22 Guides, die Touren in der Höhle begleiten dürfen. So kann reguliert werden, wie viele Menschen sich in die Höhle begeben (ohne Guide darf man nicht hinein).
Besonders spannend: die Höhle und sämtliche Artefakte befinden sich im Originalzustand. Archäologen hatten in den 90ern die Höhle zwar intensiv untersucht – aber rein auf Sicht. Es wurde nichts freigelegt, ausgegraben, berührt oder gar entfernt. Nur eine handvoll Gewebeproben (Stellen mit ca. 1x1cm) wurden insgesamt an unterschiedlichen Stellen in der Höhle entnommen.
Das heißt die Artefakte wie Vasen, Töpfe, Skelette befinden sich allesamt noch am selben Ort und im selben Zustand, wie die Höhle von den Maya verlassen wurde. Es gibt keine Absperrungen, lediglich eine Markierung am Boden, die den Weg markiert auf dem man sich bewegen darf.

Das macht die Geschichte deutlich „greifbarer“, als wenn man die Artefakte in einem Museum ausgestellt betrachtet. Und dass wir nur zu dritt mit einem Vorsprung in der Höhle sind, gibt dem ganzen eine sehr besondere Stimmung.

Im Übrigen muss man in der Höhle seine Schuhe ausziehen, das haben schon die Archäologen so gemacht. Warum? In Strümpfen achtet man deutlich besser darauf wohin man tritt… und ob man womöglich auf ein Artefakt treten könnte. Es weiß schließlich niemand, was sich unter den Sedimentschichten verbirgt, da Ausgrabungen bis heute nicht gestattet sind.

Auf dem Weg zum tiefsten Punkt der Höhle machen wir immer wieder die Lampen, die an unseren Helmen befestigt sind, aus. Und es ist sofort tiefdunkle Nacht – kein Lichtstrahl dringt von irgendwoher zu uns. Die Hand direkt vor Augen und man erkennt einfach gar nichts. Es ist so dunkel, dass sich die Augen niemals daran gewöhnen können. Es gibt ganz einfach keine einzige Lichtquelle, mit der unsere Rezeptoren arbeiten könnten.

Tiere in der Höhle

Weil es so dunkel in der Höhle ist, gibt es keine Pflanzen. Photosynthese und so – not happening, also auch kein Grünzeug. Das Wasser, das durch die Höhle fließt ist glasklar. Aber Fische? Nada. Es gibt dafür ein paar Fledermäuse und kleinere insektenartige Tierchen, die wir uns ansehen.

Und es gibt Skorpione in der Höhle, die allerdings keinen Stachel besitzen und für den Menschen ungefährlich sind. Die sehen dafür aus wie eine Mischung aus Spinnen und Alien 3 – könnten also gefährlich werden, falls man beim schieren Anblick ohnmächtig wird und stürzt.
Jedenfalls sehen sie so auf den Fotos aus, die ich selbst auch nur auf Google gesehen habe. Unser Guide fragt uns zu Beginn der Tour, ob wir auch das ein oder andere Getier sehen wollen. Poah, schwierig. Ich mag schon Spinnen nicht, finde sie aber trotzdem faszinierend. Also gut, ich möchte so ein Ding sehen – solange wir ein klein wenig Abstand dazu haben. Faszination und Ekel liegen einfach zu dicht beieinander…

Als wir nach 3 Stunden in der Dunkelheit wieder aus der Höhle kommen, sage ich (ein kleines bisschen enttäuscht), dass wir leider keinen dieser Skorpione gesehen haben. Was natürlich nicht heißt, dass da keiner war – aber für das ungeübte Auge sind diese Tiere einfach unsichtbar.

Ian, unser Guide, dreht sich um und lacht. Wir sind sogar sehr dicht an einem dieser Kollegen vorbeigekommen. Allerdings bei einem Part, an dem man eng an spitzen Felsen vorbeiklettern musste.
Ian erklärt uns weiter, dass die Guides ein intensives Notfalltraining absolvieren, falls sich jemand in der Höhle verletzt / stürzt / ohnmächtig wird. Geübt wird dabei mit Dummies. Es sind viele Engstellen, Höhenunterschiede, Klettern, hoch stehendes Wasser und Strömungen zu überwinden.
Das geht bei Bewusstsein ganz gut und easy in 2 Stunden. Um den Dummy wieder aus der Höhle zu befördern werden jedoch rund 16 Stunden benötigt. Und: bei den Emergency Exits ertrinkt der Dummy im Schnitt 3 Mal auf dem Weg nach draußen. Besagte Engstellen sind oft mit Wasser gefüllt und eine bewusstlose Person dort hindurch zu schleusen ist extrem schwierig. Damit ist es auch ok den Höhlenskorpion nur aus sicherer Entfernung auf Google zu betrachten.

Abends kehren wir in einem kleinen Lokal ein, und das war’s schon für den Tag. Sonntags fahren wir direkt weiter nach Flores in Land Nummer 3: Guatemala.

Abschiedsgetränk. Tschüss Belize!

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